Wurmlöcher von Kiajira ================================================================================ Kapitel 22: Wiedersehen ----------------------- Kapitel 22 - Wiedersehen Am nächsten Morgen wurde Hermine wieder einmal von ihrem aufdringlichen Zauberstab geweckt, der anscheinend gestern etwas unter Lauren gelitten hatte und nun - ob absichtlich oder nicht - nicht mehr auf ihren Bauch zielte, sondern ihr unbarmherzig gegen die Schläfen hämmerte. Sie stöhnte und zog sich die Decke über den Kopf. "Ist ja gut, ist ja gut", brummte sie eine Minute später, als der Stab immer noch nicht aufgegeben hatte. Sie zog sich die Decke wieder herunter, blinzelte in das helle Sonnenlicht und fing ihren Zauberstab aus der Luft, bevor er ihr noch ein Auge ausstechen konnte. Anschließend sah sie sich ein wenig wehmütig um. Es war fast wie an ihrem ersten Morgen hier - sie war noch gestern wieder in ihren alten Schlafsaal umgezogen, Laurens selbstzufriedenen, lächelnden Blick im Nacken. Zum Glück schliefen die anderen Mädchen noch. Hermine schwang ihren Zauberstab, um dafür zu sorgen, dass sie erst aufwachen würden, wenn sie schon weg war, und kniete sich dann neben ihr Bett, um den Schrankkoffer darunter hervorzuziehen. Zeit für einige Sicherheitsmaßnahmen. Die anderen hatten Hermine nicht wieder willkommen geheißen, nein. Sie hatte nur Schweigen und Todesblicke geerntet, als sie ihren Koffer wieder in den Schlafsaal gebracht hatte. Auch im Bad gestern Abend waren sie ihr aus dem Weg gegangen, hatten ihr allerdings das warme Wasser kalt gehext, als Hermine unter der Dusche gestanden hatte. Diesen Leuten vertraute sie nicht mehr. Sie erschuf eine perfekte Illusion ihres Schrankkoffers, samt Ersatz-Schuluniformen. Ihren richtigen Schrankkoffer verkleinerte sie und packte ihn mit in die verkleinerte, alles fassende Tasche, die sie immer mit sich herumtrug. Jetzt ließ sie in diesem Zimmer nicht einmal eine Socke zurück, nichts, was gegen sie verwendet werden konnte. ~*~ Als Hermine den Gemeinschaftsraum verließ und sich auf den Weg zum Frühstück machen wollte, brach aus dem Nebenkorridor plötzlich ein silbernes Etwas heraus. Sie zuckte zusammen, bevor sie erkannte, was es war: Ein Patronus. Ein Patronus in Form eines Raben. Er flatterte ein paar Mal um ihren Kopf und flog dann wieder in den Nebengang davon. Hermine musste lächeln. Der Patronus wollte offensichtlich, dass sie ihm folgte. Blitzschnell hatte sie überlegt, wem er gehören könnte. Lauren und Lucy beherrschten keinen und Dumbledores war kein Rabe, sie hatte ihn oft genug gesehen. Blieb also nur noch... Sie hätte zwar bei ihm nie mit einem Raben gerechnet, doch er war der Einzige, der in Frage kam. Ihr Herz machte einen Satz, kaum, dass der Gedanke in ihrem Gehirn Gestalt angenommen hatte, und sie beeilte sich, dem Raben zu folgen. Und tatsächlich – als sie um die Ecke bog, erblickte sie in einer der Nischen der raumhohen Fenster Tom, der mit angezogenen Beinen auf den kalten Steinen saß und abwesend mit seinem Zauberstab spielte. Der Rabe zog draußen vor dem Fenster weite Kreise über den Ländereien. Tom sah auf, und sein üblicher gelangweilter Gesichtsausdruck wurde durch ein strahlendes Lächeln ersetzt. Hermine blieb regelrecht die Luft weg, als sie es sah. Einen Moment später war er bei ihr und schloss die Arme um sie. Sie seufzte, schlang die Arme um seinen Hals und drückte ihn so fest sie konnte. Tom vergrub das Gesicht in ihren Haaren und drückte sie ebenfalls fester an sich. Hermine schloss die Augen und lächelte selig. Sie hätte nicht gedacht, dass sie nach Laurens Auftritt gestern so schnell wieder so glücklich hätte werden können, doch Toms „Geburtstagsgeschenk“ hatte sie eines Besseren belehrt. Bis zu diesem Moment war ihr nicht klar gewesen, was Lucy scheinbar schon seit den Sommerferien wusste – hatte sie sie nicht gefragt, was Hermine an Tom fand? Diese Formulierung war eindeutig gewesen – doch Hermine hatte es nicht wahrhaben wollen. Jetzt jedoch gab es keinen Zweifel mehr. Wärme durchströmte sie bis in den kleinen Zeh und erfüllte sie so vollkommen, dass sie sich nicht mehr vorstellen konnte, wie sie je ein Leben ohne Tom hatte leben können. Sie konnte sich keinen Ort der Welt vorstellen, an dem sie jetzt lieber wäre. Nach einer glückseligen Ewigkeit lockerte sich sein Griff etwas und er blickte ihr ins Gesicht. „Morgen, Mine.“ Sie lächelte. „Morgen.“ Er erwiderte ihr gelöstes Lächeln, überbrückte die letzten Zentimeter zwischen ihnen und küsste sie sanft. Hermine seufzte auf und drängte ihre Lippen regelrecht gegen seine. Am liebsten wäre sie in diesem Moment in ihn hineingekrochen, so nah wollte sie ihm sein. Es war nicht genug. Sie wusste genau, dass es nie genug sein würde. Er lachte leise in ihren Kuss und öffnete seine Lippen. Hermine folgte ihm sofort und ihre Zungenspitze schlüpfte in seinen Mund. Es gab keine Zweifel mehr, kein Zögern. Sie hatte das Gefühl, in ihm zu ertrinken und gleichzeitig von seinen Armen vor dem Ertrinken bewahrt zu werden. Es war berauschend, noch viel berauschender als ihre Gespräche. Tom wusste ja gar nicht, wie süchtig er machen konnte... Als sie sich nach einigen Minuten atemlos wieder voneinander lösten, verzog Tom das Gesicht und strich sich durch seine nun zerwuschelten Haare. „Musste das sein?“ Hermine grinste. „Klar. Außerdem bist du ein Zauberer, oder?“ Toms Lippen kräuselten sich und er brachte seine Haare mit einem Fingerschnippen wieder an ihren Platz. Mit einem weiteren Fingerschnippen flog aus einer dunklen Ecke ein Korb zu ihm, den er lässig aus dem Flug fing. „Lust auf Picknick? Ich habe nicht das geringste Bedürfnis, mit den anderen in der Halle zu frühstücken.“ Hermine nickte strahlend. „Am See unten?“ „Wo du willst“, gab Tom zurück und legte ihr einen Arm um die Schultern. Sie schlang ihren Arm um seine Taille, und sie machten sich auf den Weg nach draußen. ~*~ „Du hast einen verdammt schlechten Einfluss auf mich, ich hoffe, das ist dir klar, Tom“, meinte Hermine, als sie sich wieder auf den Rückweg ins Schloss machten. „Ich weiß nicht, was du meinst“, gab er betont unschuldig zurück. Hermine musste lachen, zog an seiner Hand, die sie in ihrer hielt, sodass er in ihre Richtung stolperte, und fing seine Lippen zu einem schnellen Kuss ein. „Oh doch, das weißt du ganz genau.“ Seine Lippen an ihren verzogen sich zu einem Grinsen, als eine Hand sich in ihre wirren Locken wühlte und seine Zunge ihre Lippen teilte. Minuten später erst lösten sie sich wieder voneinander und Tom meinte nur: „Als ob es uns etwas ausmachen würde, einen Tag Unterricht zu verpassen.“ „Uns nicht, aber den Lehrern“, gab sie zurück. „Und du bist Schulsprecher.“ Tom schnaubte. „Das heißt nur, dass ich mich bis zu den Prüfungen zehnmal so viel, wie ich eigentlich wollte, mit Lauren herumschlagen muss. Ich bin ernsthaft am Überlegen, ob ich den Posten abtrete.“ Hermine blickte ihm in die Augen, die ihr so klar und meerblau wie noch nie vorkamen. „Wegen Lauren?“ Er schüttelte den Kopf. „Auch, aber nicht hauptsächlich. Wegen dir. Wenn du Dippet sogar anbietest, Veritaserum zu trinken, sollte er dir Glauben schenken – und ich nehme es ihm übel, dass er es nicht getan hat.“ Er ließ sie los und begann wieder zu laufen. „Außerdem hättest du den ganzen Sommer über Zeit gehabt, mir etwas anzutun und hast es nicht getan – mal von den explodierenden Karten abgesehen.“ Hermine lächelte, holte ihn ein und griff im Laufen nach seiner Hand. „Tu es nicht, nicht wegen mir. Der Vermerk, dass du Schulsprecher warst, macht sich in deinem Zeugnis besser als jedes Empfehlungsschreiben.“ Tom blieb stehen und sah sie direkt an. „Aber was ist, wenn ich es will?“ Sie rollte mit den Augen. „Dann kann ich dich sowieso nicht davon abhalten.“ Diesmal war sie es, die den Weg zum Schlossportal wieder aufnahm. Tom folgte ihr auf dem Fuß. In der Eingangshalle wurde Hermine langsamer. Der übliche Lärm einer vollbesetzten großen Halle beim Abendessen schlug ihr durch die offene Tür entgegen. Als Tom neben ihr stehen blieb, meinte sie: „Was hältst du von Plan B – Essen in der Küche bestellen und bei dir essen?“ Tom lachte leise auf. „Hatten wir jemals einen Plan A?“, war alles, was er sagte, bevor er sie wieder an der Hand nahm und sie sich auf den Weg in die Küche machten. ~*~ Eine Stunde später saßen sie in Toms Zimmer über ihren Hausaufgaben – Tom hatte einen Slytherin aus seinem Jahrgang gefragt, was sie verpasst hatten – und arbeiteten. Nun ja, zumindest Tom schien zu arbeiten. Hermine stöhnte jedoch nach einer Weile frustriert auf und warf die Feder auf den Tisch. „Ich hasse es!“ Tom sah auf und runzelte die Stirn. „Was denn?“ „Gezwungen zu werden, einen ellenlangen Aufsatz über die Unmöglichkeit von Wahrheitszaubern zu schreiben und unseren Zauber nicht erwähnen zu dürfen“, zischte sie. Toms Lippen kräuselten sich. „Ich habe das Thema einfach etwas weiter ausgelegt. Ich schreibe, warum nach Lehrbuchmeinung ein Wahrheitszauber nicht existieren kann, zerlege deren Argumente allerdings sofort wieder und beweise, warum es doch geht. Mach doch das Gleiche, vielleicht schaffen wir es zu zweit endlich, Weston in den Wahnsinn zu treiben – meine Aufsätze alleine reichen dafür ja anscheinend nicht.“ Hermine musste lachen. „Hab ich dir schon mal gesagt, dass du genial bist, Tom?“ Er zog eine Augenbraue hoch und grinste schief. „Das musst du mir nicht sagen, ich weiß es auch so, Mine.“ Sie lachte wieder, beugte sich über den Schreibtisch, an dem sie sich gegenüber saßen, und küsste ihn kurz auf den Mund. „Und so bescheiden noch dazu“, meinte sie, zerknüllte ihren angefangenen Aufsatz und begann auf einem leeren Pergamentbogen noch einmal von vorne. ~*~ Es war schon nach Mitternacht, als Hermine wieder auf die Uhr blickte. Sie seufzte schwer. „Ich sollte dringend ins Bett.“ Doch sie machte keine Anstalten, sich von der Stelle zu rühren. Tom kräuselte seine Lippen. „Dann geh doch.“ Sie vergrub ihren Kopf wieder an seiner Brust und kuschelte sich noch ein wenig enger an ihn. „Ich will aber nicht gehen.“ Seine Hand fuhr ihr durch die verwuschelten Haare und er drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Tja, ob du willst oder nicht, ich sollte so langsam jedenfalls ins Bett. Wenn wir hier auf dem Sofa einschlafen, dann haben wir morgen mordsmäßige Rückenschmerzen.“ Hermine brummelte etwas, blieb jedoch halb auf Tom, halb neben ihm, liegen, ohne auch nur einen Finger zu rühren. Als sie schließlich blinzelnd zu ihm aufsah, schlich sich ein teuflisches Grinsen auf seine Lippen. „Okay, Zeit für Plan B.“ Er zog sie ein Stück höher und küsste sie. Hermine schnappte nach Luft, und Tom nutzte diesen Moment sofort, um mit seiner Zunge in ihren Mund einzudringen. Gleichzeitig wanderten seine Hände zum Bund ihres Rockes, aus dem sich die Bluse längst gelöst hatte, und schlüpften unter die Bluse auf ihren bloßen Rücken. Eine Hand streichelte ihren Rücken, während die andere am Rockbund entlang auf ihren Bauch strich und schließlich ihren Bauchnabel umkreiste, bevor sie wieder den Streifen Haut direkt über dem Stoff des Rocks nachfuhr und ihn dabei einen Millimeter nach unten schob. Verlangen schoss heiß durch Hermines Körper und sammelte sich in ihrer Mitte. Sie unterbrach den Kuss, drängte sich noch enger an Tom und keuchte. „Wie sieht Plan B aus?“, wollte sie atemlos wissen und strich sich die wilden Locken aus dem Gesicht. Er grinste. „Du bleibst hier, aber wir ziehen ins Bett um. Einverstanden?“ Sie biss sich auf die Lippen und musterte ihn einen Moment, dann schlich sich auf ihr Gesicht ein ebenso teuflisches Grinsen. Sie küsste ihn auf die Nasenspitze, ein Stück neben seine Nase, auf die Wange, noch ein Stück weiter außen auf die Wange, dann schnappte sie nach seinem Ohrläppchen und saugte daran. Tom stöhnte leise auf und presste seine Hüften gegen ihre. Sie ließ von ihm ab und flüsterte ihm ins Ohr: „Hatten wir jemals einen Plan A?“ ~*~ Hermine wurde unsanft geschüttelt. „Mine! Aufwachen!“ Sie brummte nur und drehte sich von der Stimme – Tom, teilte ihr schläfriges Hirn ihr mit – weg. „Mine! Verdammt, du bist wahnsinnig!“ Sie packte ihr Kissen und zog es sich über den Kopf. „Danke, weiß ich“, murmelte sie schlaftrunken. „Darf ich jetzt weiter schlafen?“ Das Kissen wurde ihr vom Kopf gerissen, und einen Moment später wurde ihr auch die Decke weggezogen. Sie quietschte und rollte sich zu einer Kugel zusammen. „Nein, darfst du nicht. Wir müssen zum Unterricht!“ Mit einem Schlag war sie wach, riss die Augen auf und setzte sich auf. „Was? Wie spät ist es?“, fragte sie leicht panisch, nur um sich einen Moment später den Kopf zu greifen und wieder auf die Matratze zurückzufallen. Alles drehte sich. So schnell hinsetzen war wohl doch keine gute Idee gewesen... Irgendwo über ihr hörte sie Tom lachen. „Erst halb sieben, keine Sorge, aber wir sollten so langsam aufstehen.“ Hermine brummte und setzte sich ein wenig langsamer auf. Diesmal blieb die Welt an ihrem Platz. „Okay, und wieso bin ich wahnsinnig?“ Tom hielt ihr ihren Zauberstab unter die Nase. „Dein Weckzauber hätte mir fast die Augen ausgestochen!“ „Oh, das... Vor der Aktion von Lauren hat er eigentlich immer nur auf den Bauch gezielt – muss wohl einen Schlag haben.“ Tom brummelte etwas und legte ihn wieder weg – dann glitt sein Blick über ihren nackten Körper, von den Zehen bis zu ihrem noch etwas verschlafenen Blick. Das helle Blau seiner Augen glühte regelrecht, als er sie mit einer fließenden Bewegung an sich zog, seine Arme um sie schlang und seine Lippen sich auf ihre legten. Hermine seufzte auf und zog ihn noch näher an sich. Die Bilder von letzter Nacht drängten sich wieder vor ihre Augen, und sie brauchte ihre gesamte Willenskraft, um den Kuss zu unterbrechen und Tom ein Stück von sich wegzuschieben. „Wir müssen aufstehen“, murmelte sie, keineswegs begeistert. Toms Lippen kräuselten sich. „Ich hab ein eigenes Badezimmer... Also...“ Hermine lachte. „Auf den Geschmack gekommen, was?“ Er grinste, beugte sich vor und knabberte an ihrem Ohrläppchen, während eine Hand die Innenseite ihres Oberschenkels nach oben strich. Hermine seufzte genüsslich. „Okay, überredet, ich bleibe zum Duschen.“ ~*~ Ich hätte es wissen müssen, dachte Hermine, als sie auf ihrem weg in die Bibliothek Dumbledore über den Weg lief. Tom war im Unterricht, doch sie hatte heute Nachmittag frei. Als sie sah, wie Dumbledore direkt auf sie zusteuerte, kaum,dass er sie erblickt hatte, wünschte sie sich verzweifelt zu Tom zurück – warum mussten sie auch gerade jetzt keine parallelen Stundenpläne haben? „Miss Wilson, auf ein Wort in mein Büro, wenn ich bitten darf.“ Sie schluckte, kratzte ihren letzten Rest Gryffindormut zusammen und straffte den Rücken. „Egal, was es ist – können wir es nicht gleich hier besprechen? Ich habe noch zu tun.“ Dumbledores Blick wurde stählern und Hermine sank das Herz. „Es geht den Rest des Schlosses nichts an, also nein. Kommen Sie, ich bin sicher, es wird nicht allzu lange dauern.“ Er nickte auffordernd mit dem Kopf und machte auf dem Absatz kehrt. In diesem Moment stand die Welt für Hermine einen Moment lang still. Sie wünschte sich verzweifelt, es wäre noch nicht alles gesagt worden zwischen Dumbledore und ihr – doch das war es. Die Fronten waren klar abgesteckt, es gab keine Unklarheiten oder Zweifel. Und dass er sie in sein Büro bittete, konnte nur eines bedeuten. Hermines Eingeweide scheinen sich bei diesem Gedanken zu verknoten und die Welt drehte sich einen Moment um sich selbst. Nein, dachte sie. Nicht jetzt. Nicht jetzt, wo... Sie schluckte, starrte auf Dumbledores Rücken, der sich gerade in Bewegung setzte – dann wirbelte sie auf dem Absatz herum und lief in die andere Richtung, so schnell sie konnte. Ihre Schuhe klackerten viel zu laut auf den kalten Steinen, als sie um eine Ecke in einen schmalen Seitenkorridor stürmte, einen Wandteppich zur Seite riss und dahinter in einem Geheimgang eine Treppe nach unten rannte – direkt zu den Kerkern. Nur verschwommen nahm sie wahr, dass keine Schritte ihr folgten – die Welt drehte sich immer noch, und ungeweinte Tränen brannten in ihren Augen und ließen ihr Sichtfeld verschwimmen. Am Fuß der Treppe zerrte sie einen weiteren Wandteppich zur Seite – und etwas riss sie mit einem Ruck hinter ihrem Bauchnabel in einen schillernden Wirbel aus Farben. Sie hatte das Wort „Portschlüssel“ noch nicht ganz zu Ende gedacht, da landete sie auch schon hart auf kaltem Stein. Sie hustete, rappelte sich auf – und fand sich Auge in Auge mit Dumbledore wieder, in seinem Büro. Japsend stolperte sie einen Schritt von ihm weg. Dumbledores Blick war stählern. „Es hat keinen Sinn, wegzulaufen. Sie wussten, dass dieser Moment eines Tages kommen würde.“ Hermine schnaubte und strich sich wütend die Haare aus der Stirn. „Und Sie wussten, dass ich alles tun würde, um hier zu bleiben.“ Damit zog sie ihren Zauberstab. Dumbledore musterte den Stab, der direkt in sein Gesicht zielte, einen Moment lang bekümmert, bevor er mit den Fingern schnipste. Der Stuhl vor seinem Schreibtisch erwachte zum Leben und drängte Hermine zurück gegen die Wand. Sie japste erneut und schoss einen Brandzauber auf den Stuhl ab. Er ging sofort in Flammen auf, doch nun hatte auch Dumbledore seinen Zauberstab gezogen und schoss einen Lähmfluch auf sie ab. Hermines Augen weiteten sich entsetzt. Sicher, sie hatte es provoziert, doch sie war nicht wirklich auf ein Duell mit ihm eingestellt gewesen. Haarscharf duckte sie sich unter dem Fluch weg und fand sich in einer Windhose wieder, die sie genau auf Dumbledores zweite Hand zutrieb – in der der Zeitumkehrer war. Sie keuchte einen Gegenfluch und brachte wieder einen sicheren Abstand zwischen sie beide. Dummerweise stand er nun vor der einzigen Tür nach draußen. Hermine schluckte, dann schoss sie ihren ersten Zauber auf ihn ab. Schon eine halbe Minute später dachte sie, dass sie es hätte wissen müssen – das Training mit Tom hatte nur bedingt geholfen. Sie war Dumbledore hoffnungslos unterlegen, nur mit Mühe schaffte sie es, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Nachdem sie einige seiner Elementarzauber wie die Windhose hatte auflösen können, war er dazu übergegangen, sie in viel schwächerer Form sehr schnell hintereinander loszuschicken, sodass ihr keine Zeit für Gegenflüche blieb. Statt majestätischen Wellen oder Feuerbällen wurde sie nun unbarmherzig von magischen Hagelkörnern mit der Durchschlagskraft einer Pistole bombardiert, die sie langsam aber sicher in eine Ecke des Raumes zurücktrieben. Sie hatte nicht einmal mehr Zeit für Gegenschläge, so beschäftigt war sie, sich nicht treffen zu lassen. Sie konnte sie nicht alle auflösen, sie lenkte sie um, transformierte sie in Wasser oder hüpfte kreuz und quer aus dem Weg. Irgendwann jedoch schien ihr Zauberstab ihr nicht mehr zu gehorchen. Keuchend warf sie sich auf den Boden, um dem Hagel zu entgehen – da schoss etwas auf sie zu, das größer war als die Hagelkörner, und traf sie an der Hand. In dem Moment, als ihre Welt verschwamm, erkannte sie den Zeitumkehrer. ~*~ Obwohl die Reise durch den vertrauten, bunten Wirbel nur wenige Sekunden dauerte, schaffte Hermine es, sich währenddessen dreiundzwanzig wenig schmeichelhafte Namen für Dumbledore einfallen zu lassen – und als der Wirbel verschwand und sie als Erstes wieder ihn sah, warf sie sie ihm alle an den Kopf. Er strich sich über seinen nun wieder silbergrauen Bart und ließ die Tirade ohne mit der Wimper zu zucken über sich ergehen. Irgendwann jedoch gingen Hermine die Wörter aus und sie richtete sich keuchend auf. Dumbledore straffte seine Schultern und und meinte nur: „Wir sollten in mein Büro gehen, Minerva würde nicht erfreut sein, wenn sie wüsste, dass wir ohne ihre Erlaubnis hier sind.“ Hermine schluckte und sah sich um. Als sie den Hut mit dem grünen Schottenkaro auf einer Anrichte liegen sah, sickerte die Wahrheit langsam in ihr Bewusstsein. Sie war wieder zurück. In ihrer Zeit. In einer Zeit, in der alles anders war. Oder etwa nicht? „Professor, was-“ „Nicht hier. In meinem Büro“, meinte Dumbledore mit demselben stählernen Blick, den er kurz zuvor auch in der Vergangenheit getragen hatte. Hermine verstummte, schluckte und nickte. Schweigend folgte sie ihrem Schulleiter durch das verlassene Schloss. Es war Nacht, die einzigen Geräusche, die neben ihren Schritten die Stille durchbrachen, waren die Schreie der Eulen, die durch die offenen Fenster hereinfielen. Hermine Gedanken rasten. Sie war wieder zurück. Das bedeutete, jetzt würde sie erfahren, ob sich etwas geändert hatte. Ob sie etwas erreicht hatte. So schlecht kann es gar nicht aussehen, dachte sie, immerhin hatte Tom so wie es aussieht außer mir nie eine Freundin. Sie wagte gar nicht, darauf zu hoffen, doch wenn er sie wirklich geliebt haben sollte, war das dann nicht Grund genug, sich zu ändern? Vorausgesetzt, er hatte sie geliebt... aber hätte er - „Zischende Wisbies“, ertönte Dumbledores Stimme und riss sie aus ihren Gedanken. Sie waren am Schulleiterbüro angekommen, stiegen die Treppe hinauf und traten ein. Dumbledore wies auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch und ließ sich selbst dahinter nieder. Hermine setzte sich und atmete tief durch. „Sie wissen, was ich wissen will.“ Dumbledore nickte langsam und seufzte mit bekümmertem Blick. „Es hat sich nichts geändert.“ Einen Moment lang starrte Hermine ihren Schulleiter fassungslos an, dann flüsterte sie kraftlos: „Aber – aber warum...“ Er legte seine Fingerspitzen aneinander. „Um wirklich etwas ändern zu können, hätte der Zeitumkehrer mehrere Zeitlinien schaffen müssen. Das tut er jedoch nicht. Alles, was Sie getan haben, ist bereits geschehen, bevor Sie überhaupt geboren wurden. Sie waren dazu bestimmt, zurück zu reisen und wieder zu kommen, einfach dadurch, dass Sie bereits in der Vergangenheit waren, lange bevor Sie wussten, dass Sie dorthin gehen würden. Es ist quasi eine selbst erfüllende Prophezeiung gewesen.“ Manchmal hasste Hermine ihr Gehirn. Dieser Moment war so ein Augenblick, in dem sie das tat. Es hätte nicht so logisch sein sollen. Nicht so offensichtlich. Sie war oft genug mit dem Zeitumkehrer gereist, um es eigentlich erkennen zu müssen. Es gab keine Fehler, die man ausradieren konnte – was geschehen war, war geschehen. Alles, was sie in der Vergangenheit veränderte, war bereits beim ersten Durchlauf verändert gewesen. Wenn sie die Zeit eine Stunde zurückgedreht hatte, um in einem anderen Klassenzimmer sein zu können, war sie tatsächlich jedes mal in zwei Klassenzimmern zeitgleich gewesen und nicht im zweiten statt im ersten. Es war so einfach – wie hatte sie das nur übersehen können? Nachdem sie begriffen hatte, wie und warum es nicht hatte funktionieren können, traf sie die Tatsache, DASS es nicht funktioniert hatte, wie ein Schlag in die Magengrube. Alles war umsonst gewesen. Tom war immer noch zu Voldemort geworden. Tom existierte nicht mehr. Und sie war wieder hier, in einer Zeit, in der Ron tot war und Harry schwerverletzt im Krankenhaus lag. Sie bemerkte nicht, wie Tränen sich in ihren Augen sammelten und über ihre Wangen liefen. Schließlich kam ihr jedoch ein Gedanke. Dumbledore hatte nicht glücklich darüber gewirkt, sie zurückzuschicken. Er hatte mehrmals sein Gesicht vor ihr verborgen, sodass sie seine Gefühle und Gedanken nicht erraten konnte. Jetzt ergab es Sinn. Einen Sinn, der Hermine allerdings absolut nicht gefiel. „Sie wussten es.“ Dumbledore seufzte schwer und nickte. Hermine schluchzte auf, als sie sich zu allem Überfluss auch noch von ihm verraten sah. „Wenn – wenn Sie es wussten, warum haben Sie mich dann gehen lassen? Warum haben Sie mir den Zeitumkehrer besorgt?“ Er senkte den Blick. „Weil ich wusste, dass Ihre Zeitreise unausweichlich war. Ich habe Sie in der Vergangenheit gesehen. Ich wusste, dass Sie früher oder später gehen würden. Also habe ich Ihnen lediglich etwas Ärger auf dem Weg zum Zeitumkehrer erspart.“ Hermine schwieg. Es klang logisch. Sie schwieg eine lange Zeit, doch ihre Tränen wollten einfach nicht aufhören zu fließen. Sämtliche Hoffnung hatte sie verlassen. Sie hatte keinen Ron mehr, Harry würde vielleicht für immer blind sein – und vor allem gab es keinen Tom mehr. Hermine fühlte sich schrecklich, dass neben Tom ihre zwei ältesten Freunde verblassten – auch wenn sie wieder in ihrer Zeit war, doch sie konnte nichts dagegen tun. Er war ihr Freund gewesen, und das sicher nicht von ungefähr. Es war nicht einfach so, dass sie nicht mehr zusammen waren – er war jetzt fünfzig Jahre älter als sie und ein psychopathischer Massenmörder. Sie schluchzte auf, als ihre Gedanken an diesem Punkt anlangten. Sie hatte ihn mehr verloren, als man geliebte Menschen an den Tod verlieren konnte. Sie hatte das Gefühl, nur noch aus eisiger Luft zu bestehen, in die Leere in sich hinein zu fallen, zu gefrieren und nie wieder heraus zu kommen... Plötzlich nahm sie eine Bewegung wahr und ihr Blick klärte sich wieder. Dumbledore zielte mit seinem Zauberstab auf sie. „Was – was tun Sie?“, wollte sie entsetzt wissen. Dumbledore seufzte leise. „Ich brauche Sie. Und zwar voll einsatzfähig. So kann ich mit Ihnen nichts anfangen. Ich werde Ihnen die Erinnerung an diese ganze Geschichte nehmen.“ Hermine schnappte nach Luft. „Aber-“ Doch sie kam nicht weiter. Dunkelheit umfing sie und zog sie mit sich ins Vergessen. ~*~ Als Hermine wieder erwachte, lag sie auf einem Sofa in einer dunklen Ecke des Schulleiterbüros, das sie noch nie bemerkt hatte. Der Duft von heißer Schokolade stieg ihr in die Nase und brachte sie dazu, sich aufzusetzen. Kaum hatte sie die Waagrechte verlassen, begann ihr Schädel zu dröhnen, als hätte sie sich am Tag zuvor betrunken – doch sie wusste, dass dem nicht so war. Warum hatte sie dann das Gefühl, einen Filmriss zu haben? Sie blinzelte, als Dumbledore ihr die Tasse mit der dampfenden Flüssigkeit hinhielt, die sie gerade bereits gerochen hatte. Sie lächelte ihn dankbar an, griff nach der Tasse und nahm einen Schluck. Fast augenblicklich ließen die Kopfschmerzen nach. „Was ist passiert?“, wollte sie leise wissen. „Ich kann mich nicht erinnern, wie ich hierher gekommen bin.“ Dumbledore lächelte wehmütig. „Wir haben über Ronald Weasleys Tod gesprochen. Sie hatten eine Art... Nervenzusammenbruch. Ich habe Ihnen einen Traumlosschlaftrank verabreicht, damit Sie sich ein wenig erholen.“ Hermine nickte langsam. De Kopfschmerzen waren genau wie nach einer Überdosis dieses Tranks. „Sie müssen eine zu starke Dosis erwischt haben, Professor. Mein Kopf fühlt sich an, als würde er platzen.“ Wieder lächelte Dumbledore dieses wehmütige Lächeln. „Das tut mir Leid. Ich hatte ihr Gewicht wohl falsch eingeschätzt.“ „Kein Problem“, gab sie zurück, trank ihre Schokolade aus und sah aus dem Fenster. Die Sonne ging gerade auf. „Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich in meinen Schlafsaal zurückkehren und noch ein paar Stunden schlafen. Ich fühle mich immer noch wie gerädert.“ Dumbledore nickte sichtlich erleichtert. „Tun Sie das. Kommen Sie heute Abend wieder, dann besprechen wir das weitere Vorgehen, jetzt wo Harry und Ronald ausfallen.“ Hermine nickte, verabschiedete sich und verließ das Büro. ~*~ Auf der Treppe nach unten fühlte sie sich plötzlich, als würde sie aus ihrem Körper gezogen, machte einen Salto rückwärts – und stand in einer kalten, grün ausgeleuchteten steinernen Halle, Voldemort höchstpersönlich gegenüber, der seinen Zauberstab gegen ihre Schläfe gedrückt hatte und sie fassungslos anstarrte. Als sie blinzelte, stolperte er fast einige Schritte rückwärts, als könnte er nicht fassen, was er gerade gesehen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)